Windrad selbst gebaut – Workshop BoKu Wien

Eine besondere erste Semesterwoche gab es im Oktober 2016 an der BoKu Wien: 15 Studierende fertigten ein funktionsfähiges Kleinwindrad komplett im Eigenbau. Zum Einsatz kam das bewährte Windrad Design von Hugh Piggott.

Ich wurde von einer Gruppe Studierender, die unter dem Projekttitel „WindCraft“ das Ziel hatten, ein Windrad selbst zu bauen, and die Universität eingeladen, um einen Workshop zu geben und das Projekt zu begleiten. Die 5 Interessierten fanden rasch 10 weiter TeilnehmerInnen und der Workshop konnte losgehen.

Die Gruppe bestand hauptsächlich aus Studierenden der BoKu selbst, aber auch von jenen der TU Wien. Der Workshop wurde den Teilnehmenden als „Energietechnisches Praktikum“ angerechnet.

Der Workshop fand im Keller des Franz-Schwackhöfer-Hauses der BoKu wieder. Hier fanden wir viele der benötigten Werkzeuge bereits vor. Wie in den meisten meiner Workshops, haben wir auch diesmal wieder das bekannte 2F-Design von Hugh Piggott verwendet. Es bringt ca. 450W Nennleistung und hat einen Rotordurchmesser von 2 Metern.

Dies war bereits der 8. PureSelfMade Windrad Workshop im Jahr 2016

Der Ablauf

Montag

Wir starteten Montag morgen mit einer Sicherheitsunterweisung und klärten alle rechtlichen Fragen ab. Danach gab ich eine theoretische Einführung in den Bereich der Kleinwindkraft, oder besser: meinen persönlichen Zugang zu diesem Thema. Ich erzählte von meinen Erfahrungen mit dem Bauen und Warten von Kleinwindrädern in Scoraig (Schottland), mein Projekt PureSelfMade und über die Arbeit der Wind Empowerment Association. Natürlich gab es auch eine Erklärung der Bauschritte des Piggott-Windrades.

Nach dem Mittagessen im TÜWI, einem alternativ angehauchten, von Studierenden betriebenen Lokal, begannen wir die eigentliche Arbeit am Windrad. Ich erklärte den Bauprozess der Rotorblätter, welche wir wie immer aus massivem Holz schnitzten. Dann begannen wir die erste Magnetscheibe mit Ferritmagneten zu bestücken und diese auch gleich in Kunstharz einzugießen. Für den ersten Tag machte die Gruppe beachtliche Baufortschritte – das mag wohl auch an der außergewöhnlichen Motivation liegen, die bei diesem Projekt spürbar war. Etwas, dass nicht selbstverständlich ist.

Die Vorderseite eines Rotorblattes wird bearbeitet

Die Vorderseite eines Rotorblattes wird bearbeitet

Dienstag

Wir begannen den Tag wie immer mit einer kurzen Lagebesprechung, um zu sehen, wo wir mit dem Baufortschritt gerade standen und Ziele für den Tag zu formulieren. Dann ging es ans Ausformen der 1. Magnetscheibe. Außerdem standen Spulenwickeln, Metall schneiden, sowie die Rotorblätter am Programm. Das Spulenwickeln fand einiges an Interesse, nicht zuletzt der originale PureSelfMade Spulenwickler, welchen ich 2012 für meinen ersten selbstgebauten Piggott Scheibenläufer-Generator gebaut habe, (inklusive viralem YouTube Video, ich weiß, damals war ich noch etwas jünger…)

Es brauchte nicht all zu lange und die Spulen waren gewickelt und bereit zum Verlöten. Währenddessen wurden schon fleißig Metallteile vorbereitet. Uns diente eine Auswahl feinstem Alteisens von dem „Schrott hinter meinem Gartenhaus“ als Ausgangsmaterial für die tragende Konstruktion des Windrades. Rost wurde entfernt und die Teile in die richtige Form gebracht. Dazu dienten uns eine Kappsäge aus dem benachbarten Institut sowie eine Flex.

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Vorbereiten der Metallteile

Die Gruppe konnte die Vorderseite der Rotorblätter (Luv-Seite) fertigstellen und begann mit dem formen der Profilwölbung auf der Blattrückseite. Ein schwieriger Schritt, wird doch das Rotorblatt immer dünner und feiner. Die Spulen wurden verlötet und die Statorgussform vorbereitet.

Mittwoch

Heute war es an der Zeit, die vorbereiteten Metallteile zu verschweißen – eine Arbeitstechnik, die vielen komplett neu war. Einige hatten zwar bereits Schweißtheorie erlernt, doch diese in der Praxis anzuwenden stand bisher noch nicht am Lehrplan der Uni. Wir bekamen Unterstützung von Hr. David Soukup von der BoKu, welcher mit einem WIG Schweissgerät vorbeikam und der Gruppe eine kleine Einschulung in diese Technik gab. Eine gute Ergänzung, da ich mich normalerweise auf das einfache Elektroden-Schweißen beschränke.

Bis zum Nachmittag waren bereits alle Vorbereitungen für das Eingießen des Stators geschehen, so dass wir damit fortfahren konnten. Wie immer sind hierbei die meisten Teilnehmenden versammelt, weil man sich dieses Highlight nicht entgehen lassen will.

Parallel dazu gossen wir auch die 2. Magnetscheibe. Alles lief reibungslos und wie geplant. Die Rotorblätter machten nebenbei auch noch gute Fortschritte, das aerodynamische Profil nahm Gestalt an.

Eingießen der Statorspulen

Eingießen der Statorspulen

Am Nachmittag machten wir mit meinem alten Elektrodenschweißgerät weiter. Einige in der Gruppe fanden diese Technik gegenüber dem WIG-Schweißen aufgrund von „mehr Action“ interessanter, obwohl es dabei natürlich nicht nur um sprühende Funken geht. Es kristallisierten sich schon bald einige Schweiss-Talente heraus, welche in den nächsten Tagen noch besser werden sollten….

Es wurde auch mit dem Design der Sperrholz-Steuerfahne begonnen.

Donnerstag

Wenn man bei einem einwöchigen Windrad-Projekt hinten nach hinkt, dann macht sich das meist am Donnerstag bemerkbar. In unserem Fall dadurch, dass wir erst am Mittwoch zu Schweißen begonnen hatten. So verschob sich also alles etwas nach hinten, weil die Metallkonstruktion für den Zusammenbau essentiell ist. Es wurde trotz allem fleißig gearbeitet und die Gruppe verlor nicht das geringste an Motivation.

Die drei Rotorblätter wurden zusammen gebaut, der Stator ausgeformt und gereinigt und als dann der Metallrahmen fertig war, wurde das Hauptlager (eine Auto-Hinterradnabe) daran montiert. Jetzt fehlte nur mehr der Ausleger für die Steuerfahne…

Zusammenbau des Rotors

Zusammenbau des Rotors

Freitag – Assembly day!

Nun war es endlich so weit: Die Einzelteile des Windrades sollten zusammen finden und mehr als die Summe ihrer Teile darstellen – ein Projekt, an dem 16 Menschen eine Woche lang gemeinsam gearbeitet und gelernt haben. Gewachsen sind, sowohl individuell als auch als Gruppe.

Der Zusammenbau bringt immer noch eine Menge an vielen kleinen Handgriffen mit sich, so wurde also niemandem langweilig. Während noch geschweißt wurde, begannen andere den Generator zusammen zu bauen…

Zusammenbau des Generators

Zusammenbau des Generators

Gewindestangen wurden vorbereitet, der Stator ausgerichtet und dann kam der Moment, an dem unser Generator erstmals Strom erzeugte.
Wir machten einige Messungen von Spannung und Frequenz des Generators, wobei wir von der Hz auf RpM umrechneten.

Messen von Spannung und Frequenz

Messen von Spannung und Frequenz

Als wir dann endlich den Rotor und die Steuerfahne montierten war allseits die Freude groß!
Einzig das Wetter gab uns einen kleinen Dämpfer: Es gab absolut keinen Wind…

Wir beschlossen daher uns noch einmal zu treffen, um das Windrad bei guten Verhältnissen am Dach der BoKu zu testen. Mit richtigem Inselsystem-Testaufbau versteht sich.

Das fertige Windrad

Das fertige Windrad

Rückblick

Ich möchte mich für den tollen Workshop bedanken, den ich an der BoKu geben durfte! Wir hatten richtig Spaß zusammen und einmal mehr war es, was ich immer betone: Eine Erfahrung des miteinander Lernens anstatt top-down Wissensvermittlung.

Ich war beeindruckt von der positiven Resonanz für ein solches Projekt. Es fühlte sich an, als hätten die Teilnehmenden geradezu auf ein solches Event gewartet und nun sogen sie alles auf, was sie mitnehmen konnten. Auch Dozenten und Institutsmitarbeiter kamen vorbei und waren begeistert! Ich hörte immer wieder von der Gruppe, dass der Stoff an der Uni interessant ist, es ihnen aber etwas am praktischen Zugang fehle, um das Erlernte zu begreifen. Ich fühlte mich selbst auch schon mal so und kann Interessenten gut von diesem Standpunkt abholen!

Strom mit der Zunge messen

Strom mit der Zunge messen…

Ein Do-It-Yourself Workshop direkt in den Räumen einer Uni ist jedenfalls für mich etwas ganz besonderes, und gelegentlich aufgrund von mancher Bürokratie auch nicht so einfach möglich ist. Wir fanden trotzdem mit dem kompetenten Personal der BoKu eine gute Lösung, sowie das passende Umfeld.

15 inspirierte Studierende werden wohl auch Wellen schlagen. Ich bin gerne bereit für weitere PureSelfMade Windrad-Workshops an und mit Universitäten!

“Ich habe so viel gelernt in dieser Woche. Dinge, von denen ich nicht dachte, dass ich sie selbst bewerkstelligen kann. Es hat mich inspiriert und ich finde es cool, dass du so etwas anbietest“ -Lisa, Workshop-Teilnehmerin

So ein Feedback ist die beste Motivation für mich, um weiter zu machen und daran fest zu halten!

Wie Hugh Piggott einst selbst sagte:

“It’s not a job, it’s a lifestyle!“

Das Projekt PureSelfMade ist auf der Suche nach weiteren Universitäten, Hochschulen oder sonstigen Institutionen, welche einen Windrad Workshop hosten, und damit nachhaltige Bildung fördern wollen. Das Angebot ist je nach Bedarf flexibel anpassbar.
Informationen unter info@pureselfmade.com
Jonathan Schreiber
Ich habe PureSelfMade im Jahr 2013 gegründet, um meiner Begeisterung für selbstgebaute Kleinwindräder, unabhängige Energiesysteme, handwerkliches Tüfteln und mehr einen Raum zu geben. In meinen praxisnahen Workshop-Kursen vermittle ich einfache und effektive Lösungen zu diesen Themen - für ein Stück mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit in der Welt. Erfahre mehr über meinen Hintergrund..

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